Die Stadt in den Bergen

Veröffentlicht am 14. Oktober 2022 um 19:21

Liebes Tagebuch, liebe Leute!

Medellín, ein Ort, der es mir wirklich angetan hat. Ein Ort mit wahnsinnig spannender Geschichte (und da rede ich nicht von Dingen, die vor 100 Jahren passiert sind, sondern von Ereignissen, die knapp 10 Jahre zurück liegen) und purer Lebensfreude.

Um von Santa Marta aus dahin zu gelangen nahm ich zuerst einen Bus durch überschwemmte Straßen bis zum Flughafen (das ist hier etwas Tagtägliches: Bei Flut drückt es das Meerwasser aus allen Kanaldeckeln) und flog dann mit 2.5 Stunden Verspätung in die Hauptstadt der Bergprovinz Antioquia - Medellín. Dank der Flugverspätung war es schon dunkel geworden und eigentlich ist es nie mein Plan wo im Finsteren anzukommen. Jetzt war es aber nunmal so und ich fand nach kurzer Suche einen Bus, der in die Nähe meines Stadtteils fuhr. Eine Taxifahrt direkt zum Hostel wäre mir zu teuer gekommen, das war dann doch ein Stück.

Diese Anfahrt werde ich so schnell wohl nicht mehr vergessen. Nachdem wir durch einen sehr langen Tunnel gefahren waren, hatte man nach dem Verlassen einen wahnsinns Ausblick auf die Stadt Medellin. Sie liegt in einer Senke mitten zwischen Bergen und Hügeln und erhellt die Nacht mit Millionen von Lichtern, die sich vom Tal bis zur Hügelspitze erstrecken. Die Fotos sind leider nichts geworden, aber sie hätten mit der Realität so und so nie mithalten können. 
Ich wurde also irgendwo mitten in der Stadt abgeladen und fragte gleich mal einen Polizisten, wo ich denn einen Bus nach Poblado bekommen könnte. Mir wurde von einem früheren Reisefreund empfohlen entweder in Poblado, Enviado oder Las Palmas unterzukommen, da es die drei sichereren der 16 Stadtbezirke seien. Die Bezirke nennt man hier auch "comunas". Comuna 13 ist der bekannteste und interessanteste, davon berichte ich euch demnächst - die Geschichte dazu erzeugt Gänsehaut.

Ich stieg am Parque de El Poblado aus und suchte mir zu Fuß meinen Weg zum Hostel. Das lag glücklicherweise sehr nahe und die Gegend war auch nachts nicht furchteinflößend. Ganz im Gegenteil: Heute war Freitag und da war richtig was los! Ich durchquerte einen kleinen Markt mit Kunsthandwerk und Souvenirs und wurde schon von der Musik der umliegenden Restaurants und Clubs empfangen. Es waren viele Leute auf den Straßen, darunter auch Touristen und jeder war in bester Laune.
Ich war zu müde, um heute noch eine Menge anzugehen. Nachdem ich mir etwas zu essen geholt hatte, genoss ich die eiskalte Dusche (nicht) und legte mich auf die obere Etage meines Stockbetts, um mit der App Duolingo noch etwas Spanisch zu üben. Die App kann ich jedem nur wärmstens empfehlen, der eine Sprache lernen möchte- testet doch einfach mal die Gratisversion um z. B. euer Englisch aufzufrischen!

Im Hostel befindet sich auch ein öffentliches Kaffee, deshalb war es bis 3 Uhr morgens richtig laut im Zimmer (die Wände dämmen so gut wie gar nicht.) Aiaiai. 

Vom Samstag gibt es nicht all zu viel zu berichten. Ich schlief aus, war froh nicht aus dem Bett gefallen zu sein (ich werde nie verstehen, warum man Stockbetten ohne jeglichen Seitenschutz baut) und gab gefühlt meine gesamte Kleidung zum Waschen an der Rezeption des Hostels ab. Hmmm ja, da bin ich schon ganz schön verwöhnt, es ist einfach so herrlich alles abgeben und perfekt gefaltet und duftend wieder abholen zu können. Von meiner langen hellen Hose, welche ich auf der Wanderung (letzter Bericht) anhatte, kratzte ich zuvor noch klumpenweise Erde runter. 😅

Ich schaute mir dann die Gegend herum an (schien wirklich ziemlich sicher zu sein hier) und setzte mich in ein echt cooles Restaurant, um ein typisch kolumbianisches Tagesmenü zu essen: Bohnensuppe, Reis, Salat, Fleisch, ausnahmsweise Pommes dazu und  selbstgemachten Eistee. Tagsüber waren die Preise meist günstiger als abends - bzw. gibt es spezielle Menüangebote. 

Den restlichen Tag verbrachte ich etwas deprimiert im Hostel, da meine Familie heute in Österreich den Maturaball meines Cousins feierte und ich einfach SO UNGLAUBLICH gerne dort gewesen wäre. Tja, alles kann man eben nicht haben. Viele haben mich bereits gefragt, ob ich mich nicht einsam fühle auf meiner Reise. Nunja, wenn zu Hause bei Familie und Freunden gerade etwas Bedeutendes passiert, fühle ich mich tatsächlich so, als befände ich mich am falschen Platz. Unschönes Gefühl. 🙊

Ich plante stattdessen meine Aktivitäten für die nächsten Tage, um mich abzulenken und unterhielt mich mit ein paar Leuten aus dem Hostel. Dabei lernte ich Mohamed, einen Fotografen aus Frankreich, und Howard aus Kalifornien kennen. Irgendwo in der Nähe unseres Hostels musste eine Liveband spielen (ich konnte die hören) und Mohamed war so nett und ging mit mir auf die Suche danach. Wir hatten sie auch gefunden, nur machten sie nach einen weiteren Song eine lange Pause und Mohamed beschloss mir die Straßen hier herum bei Nacht zu zeigen und den Tourguide zu spielen. Eine perfekte Gelegenheit, für die ich sehr dankbar war, denn mit einem Mann an der Seite unterwegs zu sein (der noch dazu fließend Spanisch sprach) macht hier einiges leichter. Und was hab ich da nicht Interessantes erlebt: Nur fünf Gehminuten von unserem Hostel entfernt begann die Partymeile und die war echt "oag", um es mit steirischen Worten zu sagen. 😅 Ein Club nach dem anderen, egal in wieviele Seiten-, oder Parallelstraßen man auch einbiegt: Laute Musik, überall blinkende Lichter, die Straßen voll mit Prostituierten und Drogen an jeder Ecke. Es schien so, als würde die Partygegend gar kein Ende nehmen, wie konnten nur sooo viele Bars am selben Ort überleben? Noch nie hab ich so eine enorme Anzahl davon gesehen. 

Mohamed erzählte mir die Geschichte dahinter: El Poblado gilt anscheinend nicht nur als sicherster Bezirk, sondern auch als der "Prostituiertenbezirk" hier. Junge Frauen aus allen Herrenländern und natürlich viele aus verschiedenen Teilen Kolumbiens versuchen sich hier einen Mann und einen Job für die Nacht zu angeln (Eine davon schläft übrigens in meinem Zimmer, wie ich rausfand. Aber dazu ein anderes mal mehr). Für viele junge Mädls die einzige Möglichkeit, um an Geld zu kommen und das Geschäft ist lukrativ: Hier kannst du in einer guten Nacht 200 Euro verdienen, wobei eine Verkäuferin beispielsweise im gesamten Monat nur 400 Euro verdient. Verrückte Welt, oder? Beliebt ist hier auch das Verkaufen von Lollipops, das hab ich in genau dieser Art auch in Santa Marta bereits erlebt: Männer gehen mit umgeschnallten geöffneten Koffern durch die Straßen und verkaufen Lollys und andere Süßigkeiten und ganz nebenbei öffnet sich still und heimlich eine Faust und du kannst dir jedes weiße Pulverchen bzw. Tabletten jeder Art kaufen. "Crack, very cheap and best Quality!" Glaub ich dir sofort, zieh's dir doch selbst rein, wenn du's so toll findest - Idiot. 

Im Sekundentakt redeten uns Leute an, um uns in ihr Lokal zu locken, ganz schmierig und überfreundlich. Sobald Mohamed jedoch im perfekten Spanisch antwortete, verging ihnen oft sogleich das Grinsen und die Freundlichkeit bzw. das Interesse an uns war vorüber. Doch warum eigentlich? Ganz einfach: Sie haben es auf US-Touristen abgesehen, welche leicht zu bedienen sind. Das gesamte Partyviertel hier wurde quasi für Amis gebaut. Die Preise waren hier deswegen auch um einiges höher als sonst wo, denn Amerikaner würden auch drei oder vier Euro für ein Bier bezahlen, ohne darüber nachzudenken. Und der Ort hier ist in den USA weit und breit bekannt als Mekka, wenn du eine Drogenparty mit günstigen Nutten schmeißen möchtest. In den USA ist Prostitution mit wenigen Ausnahmen wie z.B. Las Vegas verboten und ein Flug hier runter kostet keine 100 Dollar. Das zahlt sich aus und so sind die Straßen voller Männer, welche sich oft gleich ein ganzes Apartment buchen und sich (ohne Witz) Frauen und Drogen per Zimmerservice in ihre vier Wände bestellen. Die Europäer fliegen für selbiges eben nach Thailand. Ganz ganz verrückt hier. Was bin ich dankbar, dass mich Mohamed hierher mitgenommen hat, das hätte ich sonst komplett verpasst und es war schon wirklich unglaublich spannend, dem Treiben auf den vollen Straßen zuzusehen. 😅 Fotos hab ich davon übrigens keine gemacht, mein Handy blieb brav in meinem Rucksack vor meiner Brust. Hier schrie es ja gerade nur so nach Diebstahl. 

Nach diesem schrägen Erlebnis zogen wir es doch lieber vor, unser Bier ganz gemütlich in der "ruhigen" Nähe unseres Hostels zu trinken, wo auch Howard dazukam. Kostet hier auch plötzlich nur mehr die Hälfte haha. 

Das war also mein Ausflug in die Prostituiertenszene und morgen geht's ab in die comuna 13- in den Ort, der bis vor wenigen Jahren als der tödlichste und gefährlichste Ort der ganzen Welt gegolten hat. Da gibt's dann Geschichte und Action pur, also bis demnächst! 😉

Liebe Grüße, eure Babsi!

(Nachtrag für Freitag und Samstag, den 7. und 8. Oktober) 

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