
Liebes Tagebuch, liebe Leute!
Fortsetzung gefällig vom Kolumbianer, der die Flasche Whiskey und zig Bier geleert hatte? Gerne doch. Er kam dann am späten Nachmittag zurück ins Hostel und hatte bereits eine neue Flasche in der Hand (dieses mal Tequila, Abwechslung muss schließlich sein). Anscheinend hat er sich auch etwas Mut angetrunken, denn er lag keine fünf Minuten auf der oberen Etage des Stockbetts nebenan, da winkte er mich auch schon zu sich heran um mich mittels Google Übersetzer zu fragen, ob ich nicht Sex mit ihm haben will. Hui, nicht gleich so romantisch! 😅
So verlockend das Angebot auch war lehnte ich ab und verbrachte den Abend stattdessen ganz gemütlich mit dem Franzosen und ein paar Bier am Balkon des Hostels. Endlich wieder mal ein Gesprächspartner, mit dem man stundenlang plaudern konnte, ohne dass Langeweile aufkam. Noch dazu in fließendem Englisch, was für Franzosen ja längst nicht selbstverständlich ist.
Am kommenden Tag unternahm ich außer einem Strandbesuch nichts sonderlich Nennenswertes. Ich sah u.a. den Fischern dabei zu, wie sie quer durch die Bucht ein großes Netz spannten. Egal ob die Fischer selbst, Freunde, oder zufällig vorbeikommende Strandbesucher: Jeder Mann griff mit an und insgesamt waren es bestimmt um die 15, die dann zusammen mit aller Kraft den Fisch ans Land zogen. Der Himmel über uns war voller großer Vögel, die das einfache Mahl witterten und einen Fisch nach dem anderen aus dem Wasser schnappten. Schon zuvor hatte ich diesen dabei zugesehen, wie sie sich immer und immer wieder aus ein paar Metern Höhe ins Wasser stürzten - solange, bis sie Erfolg bei der Jadg hatten. Angeblich soll es eine Gattung der Geier sein. Die vielen Pelikane hier gehen es dagegen ganz gemütlich an.
Nach einem Kalorienüberschuss beim Burgeressen in einer Bäckerei (abends wird hier auch Fast Food gekocht und Gott sei Dank schmeckte das besser als das furchtbare "Gebäck") setzten wir uns wieder mit Dosenbier auf den Balkon.
Erneut lauschten wir dem Hupkonzert der vorbeifahrenden Autos. Der Besitzer des Hostels meinte, dass das hier zu der Gegend leider dazu gehört: Es wird viel, laut und lang gehupt und das einfach zweckfrei, nur um den anderen auf den Sa** zu gehen, während man im Stau oder an der Ampel feststeckt. Hilft ganz bestimmt. Manch ein Idiot blieb mit der Hand auch über fünf Sekunden an der Hupe kleben. 🤦🏼♀️
Am nächsten Morgen war es Oktober geworden - aaaaah, wie die Zeit vergeht! Deshalb sollte diese auch gut genutzt werden und ich war bereit für meine 10 Uhr Walking Tour durch die Altstadt Cartagenas. Und diese verzauberte mich, es war so unfassbar interessant hier! Jede Straße und jeder Platz glänzt mit buntem Graffiti, historischen Gebäuden (die mich stark an Kuba erinnerten) und kleinen Souvenierständen. Einige Straßen wurden auch mit Flaggen und Regenschirmen behängt, um Besucher anzuziehen.
Die Tour führte uns über zwei Stunden lang kreuz und quer durch die Gassen und unser Guide gab uns richtig interessante Informationen weiter. So war Cartagena ganz ganz lange eine Kolonie der Spanier und hat eine finstere Sklavenvergangenheit. 3-5 Monate lang wurden Sklaven nackt in Booten von Afrika ausgehend quer über den Ozean geschippert, um dann am "Sklave - Square" für kleines Geld verscherbelt zu werden. Um seinen neuen "Besitz" zu kennzeichnen, haben die Käufer den armen Menschen einen individuellen Stempel in die Haut gebrannt. Viel waren sie nicht wert, sie galten nämlich nur als Tiere, als seelenlos und als ein Mittel zum Zweck. Wurde ein Sklave krank ließ man ihn eher qualvoll sterben, als ihm Medizin zu kaufen. Ein neuer Sklave war nämlich um einiges günstiger als die Medikamente. Für dieses große Geschäft taten sich die Spanier irgendwann mit den Portugiesen zusammen, um noch mehr Profit zu erzielen. Alle älteren Gebäude der Stadt wurden durch Sklavenhände erbaut. Ein wirklich düsterer Gedanke, wenn man gerade eben noch den sonnigen Hauptplatz mit all seinen bunten Häusern bewundert hatte.
Ihr kennt doch alle die kreativen und komplizierten Flechtfrisuren, die viele afrikanische Mädchen haben, oder? Tja, damals wurde deren Haar genutzt, um geheime Wegbeschreibungen ins Haar zu flechten - auf der Kopfhaut konntest du also eine Art Stadtplan erkennen. So wurden geheime Treffpunkte übermittelt. Verrückt, oder? Hier noch ein letzter Fakt, an den ich mich im Bezug auf die afrikanische Bevölkerung erinnern kann: Kam ein Baby auf die Welt, wurde geweint. Die Mütter wussten, dass das Kind ein Leben in Sklaverei vor sich hatten. Starb jemand, wurde jedoch gefeiert: Endlich war die Person wieder frei. Man kann sich diese Ungerechtigkeit gar nicht vorstellen...
San Pedro Claver war ein Priester und der erste Mensch dieser Zeit, der den Afrikanern zur helfen begann und sich um sie kümmerte. Ihm zu Ehren findet man in der Nähe der Hauptkirche auch eine Statue. In der Kirche fand heute übrigens die Erstkommunion statt, deshalb tummelten sich rund herum auch unzählige elegant gekleidete Leute. Meine Güte, waren die Mädls in ihren weißen Kleidern entzückend!
Nahe jener besagten Statue befindet sich eine große Steinmauer, in welche Korallen miteinbetoniert wurden. Zuerst bauten die Spanier vieles aus Holz, doch als das bei Angriffen leicht Feuer fing, dachte man um und nutzte eben auch Korallen als Baustoff. Hatte ich zuvor auch noch nicht gesehen - schaut bei dem einen Foto genauer hin!
Auch über die 200 Jahre Inquisition und die dabei verwendeten Foltergeräte-, und Techniken wurde informiert. Eine richtig finstere Vergangenheit für einen so bunten fröhlichen Ort. Die Europäer mussten einfach auf allen Kontinenten ihre Finger im Spiel haben und alles für sich beanspruchen. 1811 wurde endlich die erste Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet.
Nachdem wir Bilder der jährlichen Miss Columbia und die beiden der kolumbianischen Miss Universe betrachten durften, zeigte uns unser Guide noch den Stadtpark (darin entdeckten wir kleine Äffchen und sogar ein Faultier🥰), und erklärte uns einige Graffiti.
Was für eine äußerst spannende Führung, das wird in Zukunft schwer zu überbieten 😎.
Bis bald, eure Babsi!
(Nachtrag von Freitag, den 30. September und Samstag, den 1. Oktober)
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Kommentare
voll cool geschrieben! ☺️