
Liebes Tagebuch, liebe Leute!
Der Tag des Abschiednehmens war gekommen. Beim Frühstück überreichte ich Pt. Shaiju ein kleines Geschenk meinerseits und Bargeld, welches meine Familie für die Schulkinder spenden wollte.
Im Zimmer oben hinterließ ich einen Koffer vollgepackt mit Kleidung, Accessoires und Co für die Kids. Endlich war ich das viele Gepäck los und die Leute würden mich nicht mehr als weiße Reisebarbie sehen. Wieoft war ich komisch von der Seite angeschaut worden? Sehr oft. "Das gehört nicht alles mir", so glaubt mir doch. 😅
Ich hatte auch für jedes der gut 30 Internatskinder eine kleine Schulüberraschung dagelassen. Nach meinem letzten Mittagessen zog ich mit etwas trauriger Miene aus meinem Zimmer aus und lud meinen Rucksack in den Van.
Zwei Schwestern von Mahabo mussten für einen Termin ebenfalls in die Hauptstadt reisen, also hatte man mir gleich ein Ticket im selben Taxibus reserviert. "Cotisse" nennt man diese Kleinbusse hier, die für 15-18 Gäste Platz boten.
Da der Bus (wie sollte es auch anders sein) mit ordentlich Verspätung in Morondava abgefahren war, war Pt. Shaiju so nett und fuhr mich gemütlich für eine kleine letzte Sightseeingrunde durch den Ort. Als er um 14 Uhr dann endlich da war, gab es eine letzte Abschiedsumarmung und ich nahm neben den beiden Schwestern in der 3. Reihe Platz. Mein Sitz war der direkt neben der Tür. Heißt: Meine Beine frei in der Luft baumelten, da sich direkt vor mir die Stufen befanden und ich würde jedes Mal aus dem Bus aussteigen müssen, wenn jemand von den hinteren Reihen nach draußen möchte.
Der Platz hier im Inneren der Cotisse war generell stark begrenzt. So musste ich mein Handgepäck die ganze Fahrt über auf meinen Oberschenkeln abstellen und Erwachsene mit Kindern hatten diese die gesamte Fahrt über auf sich hocken. Und wir sprechen hier nicht von drei, vier Stunden, sondern von 16. Ja, eine 16-stündige Busfahrt, die noch sehr spannend werden sollte.
Die Strecke der ersten vier Stunden kannte ich bereits, da wir sie damals zurücklegen mussten, um Pt. Sebi in sein neues Heim zu begleiten. Ganz zufällig sahen wir ihn auch noch am Wegrand dahinspazieren, als wir durch seine neue Gemeinde fuhren.
Ein paar Fakten zu meiner Fahrt:
*Wir machten einen Stopp am späteren Abend, um zu Abend zu essen. Die Suppe war gut, die komplett abartig verdreckte Toilette (Loch im Boden, Klopapier überall nur nicht im Loch, herumkrabbelnde Riesenkakerlake) weniger schön. Da bevorzuge ich wirklich einen Busch am Straßenrand.
*Wir hielten zwischendurch immer wieder an, um Güter aufs Dach zu laden (Säcke mit Kohle oder Heu, Körbe mit lebenden Enten...), oder sie irgendwo wieder abzuladen. Also nicht nur Bus, sondern auch Gütertransporter.
*Als wir noch bei Tageslicht einen Kurzstopp in einem Ort machten, um etwas Aufzuladen, sah ich einen Vater, der seinen weinenden, gerade eben beschnittenen nackten Sohn durch die Straßen trug. Hinter ihnen die gesamte Familie im Schlepptau, alle bestens gelaunt, um gleich ein großes Familienfest zu feiern.
*Wir machten nur 2x Halt für Pinkelpausen. Heißt: Ich hab während der 16 Stunden so gut wie nichts getrunken, um keine Probleme mit meiner Miniblase zu bekommen. Bus-Klopausen in Madagaskar sehen generell so aus: Der Bus bleibt stehen, alle steigen aus und direkt am Straßenrand hockt sich jeder nebeneinander hin und lässt es rinnen- selbst wenn es keine Büsche, Bäume o Ä. gibt, wo man sich verstecken kann. Privatsphäre also null, für Europäer wohl gar nicht so leicht, hier locker zu lassen.
*Es war A****kalt. Ich wusste ja bereits, dass in der Hauptstadt die Temperaturen nachts etwas niedriger sein können, aber mit 7 Grad, keinerlei Heizung und Fahrt bei offenem Fenster hab ich nicht gerechnet. Ich deckte mich mit allem zu, was ich in meinem kleinen Rucksack finden konnte und fröstelte heimlich über Stunden vor mich hin.
*Die Straße ist eine Katastrophe. Noch nie hab ich sowas zuvor gesehen. Nach den ersten vier Stunden begann eine Odyssee aus Schlaglöchern. Kein Wunder, dass wir für die 650km 16 Stunden brauchten. Oft konnte man zwischen den einzelnen Löchern nicht mal in den 2. Gang schalten, schon musste man den Wagen erneut fast stehend und ganz sanft in das nächste Loch reinrollen lassen. Schlafen? Fehlanzeige. Zwischendurch kippten mir immer mal wieder für ein paar Minuten die Äuglein zu, doch das nächste gigantische Schlagloch bzw. die nächste Vollbremsung kam bestimmt. Ich konnte mich ja gar nicht entscheiden, was schlimmer war: Der Flug von Tana nach Morondava, oder die Busfahrt zurück. 😂 Auf jeden Fall nichts für schwache Nerven, Luxusreisende, oder Backpackeranfänger.
*Gruselig: Es gibt einen Streckenabschnitt, den man nur bei Tageslicht allein zurücklegen sollte. In dieser Gegend treiben nämlich kriminelle Diebesbanden ihr Unwesen. Zur Nachtzeit werden Fahrzeuge, die allein unterwegs sind, gewalttätig angehalten und überfallen. Ist man blöderweise gerade im Finsteren unterwegs, gibt es eine spezielle Vorgehensweise: Vor dem gefährlichen Streckenabschnitt warten mehrere Autos zusammen und fahren gesammelt dicht an dicht über die Straßen. Die Gefahr eines Überfalls wird dadurch minimiert. Oft wird das Licht der Fahrzeuge komplett ausgeschaltet, damit die Banden einen möglichst nicht bzw. nicht schon aus weiter Ferne wahrnehmen.
Na bravo, hm? Gut, dass mir die ganze Geschichte erst erzählt wurde, nachdem wir angekommen waren, so musste ich mir meinen Kopf nicht drüber zerbrechen.
Mit komplett durchgesessenem Hintern, Nacken/Rückenschmerzen bis zum geht nicht mehr und halb abgefroren bin ich dann auch endlich wieder in Antananarivo angekommen. Wer mich hier so empfangen hat lest ihr morgen, alles Liebe! Eure Babsi 😊
(4.8.2024)
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