
Liebes Tagebuch, liebe Leute!
Es war also sechs Uhr in der Früh, als ich diesen "Bus" verließ. Ich kann mich nicht entscheiden, was mich mehr gefreut hat: Die Tatsache, dass mein ganz persönlicher Abholservice bereits vor Ort war und ich nicht in der Kälte draußen warten musste, oder, dass das Auto eine Heizung hatte. Gott, fühlte sich das gut an!
Abgeholt wurde ich von Pt. Augustin, denn Pt. Shaiju hatte sich selbst um meine Weiterreise gekümmert. Sein Kollege und Freund betreut eine Pfarrgemeinde in der Hauptstadt - gemeinsam mit dessen Kollegen Pt. Rindsaw.
Auch hier wurde ich mit offenen Armen und überaus freundlich empfangen und bekam mein eigenes Zimmer. Statt zu essen legte ich mich gleich nochmal aufs Ohr und genoss dann eine warme (!) Dusche.
Extra für mich wurde zu Mittag richtig aufgekocht. Es gab selbstgemachte Pizza, Reis, Gemüse und Huhn.
Um 14 Uhr lud mich Pt. Rindson für meine ganz persönliche Sightseeingtour in den Van ein. Wir nahmen auch Suzi, eine Freundin des Hauses, mit.
Zuerst sahen wir uns eine Gebetsstätte auf einem Berg an, welche die beiden Pfarrer betreuen. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einer Stelle vorbei, wo großflächig Brandrohdung betrieben wurde, um Kohle fürs Kochen zu gewinnen. Leider führen diese Brände immer wieder zu Kolleteralschäden und in diesem speziellen Fall brannten einige Häuser/Hütten nieder - mit den Einwohnern eingeschlossen. Das sei leider kein Einzelfall.
Madagaskar teilt sich mit den Philippinen nun offiziell meinen ersten Platz in der Kategorie Baupfusch. Am Berg wird ein neues Gebäude errichtet, welches unter anderem mehrere Leuten eine Schlafmöglichkeit bieten soll. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was da abgeht. Es beginnt schon mal damit, dass von den Arbeitern eine Fertigstellung innerhalb 6 Monaten angepriesen wurde. Jetzt bauen sie schon ein Jahr UND 6 Monate und die Baustelle ist von "fertig" noch meilenweit entfernt. Des Weiteren arbeiten dort einige Leute, die überhaupt keine Ahnung von diesem Handwerk haben und so bei Wänden, Decken und Böden einen Fehler nach dem anderen verursachen. Pt. Rindsaw führte mich quer über die Baustelle und bei manchen Hoppalas dachte ich mir echt: "Das gibt's nicht". Ich bin zwar kein Experte, aber selbst mir kamen bei gewissen kreativen Pfuschverdeckungsversuchen ein Lacher aus. Jeder österreichische Handwerker hätte diesen Ort nach einer Woche mit Pauken und Trompeten verlassen. Apropos Baustelle "mit etwas verlassen", da komm ich doch gleich zum nächsten Punkt: Diebstahl. Es wird von den eigenen Arbeitern andauernd Material gestohlen und im Anschluss verkauft, um die eigenen Taschen zu füllen. Wenn Sie kommen und fragen: "Wir brauchen bitte Geld für 10 Säcke Zement", benutzen Sie davon beinhart nur 5 und nehmen die anderen 5 mit nach Hause, wenn du nicht jeden Schritt der Arbeiten dort überwachst. Wahnsinn, oder? 😅 Kündigen macht keinen Sinn - es gibt nämlich niemanden, der es besser kann. Dann kannst alles selbst bauen. 🥴
Die Schotter-, bzw. Erdstraßen hier rauf sind mit ihren Bodenrillen auch nicht ohne. Vier Stürze mit dem Motorrad zählt Pt. Rindson bisher.
Nächster Stopp: Eine hübsche Outdoorkirche auf einem mit Nadelbäumen bewachsenen Berg - ebenfalls Teil ihres Arbeitsgebietes. Der Papst höchstpersönlich war vor nicht all zu langer Zeit hier und hat die Arbeit der Pfarre gewürdigt. Der Wald musste eingezäunt werden, da die Leute ansonsten die Bäume illegal abholzen und stehlen würden. Gestohlen wird hier aber auch wirklich ALLES. Trauriges Zeugnis eines Landes, wo sich die Regierung einen Scheisdreck um deren Bewohner kümmert. Jeder versucht irgendwie über die Runden zu kommen. Jeder will seine Familie ernähren. Diebstahl hin oder her, aber man muss schon auch immer hinterfragen, warum jemand beginnt zu stehlen.
Gleich neben der Kirche befindet sich ein riesen Gelände, welches während der Schulzeit als Pausenhof dient. Selbst jetzt in den Ferien treffen sich dort einige Kids, um in Gruppen abzuhängen oder zu tanzen. Mit einer großen Gruppe sehr junger Kids haben wir eine Weile herumgealbert und Fotos gemacht. Sie durften sogar Pt. Rindsaws Haare mit einer hübschen Flechtfrisur versehen. Die Kleidung der Kinder war großteils sehr dreckig, zerrissen und löchrig. Trotz der offensichtlichen Armut schienen sie so unbeschwert und glücklich zu sein. Sie haben Musik und haben einander, mehr braucht es nicht.
Von hier aus hat man auch einen super Überblick über die hier angesiedelten Hochschulen. Wer sich also bereits aufs Berufsleben vorbereitet und das Geld für eine Ausbildung hat, kommt hier her. Man hat auch einen exzellenten Ausblick auf die gesamte Hauptstadt Antananarivo. Leider auch auf den Steinbruch, der nebenan liegt. Hier sieht man sowohl Erwachsene als auch Kinder im Dreck sitzen, während sie mit einem Hammer größere Steinsbrocken in kleinere Steine zerteilen. Bitterer Anblick. Mitten im Steinbruch haben die Leute einen Altar aus denselben Steinen gebaut, um ihre Messe hier ab und zu mit besonders vielen Leuten feiern zu können. Der Glaube an Gott ist in diesem Land noch unglaublich stark und für viele Menschen ein Strohhalm, an den sie sich klammern und auf bessere Zeiten hoffen können.
Auf der Fahrt zurück konnte ich erneut einen Blick auf die große Armut hier werfen-Wahnsinn, wie die Leute hier zum Teil leben müssen. Mitten auf einem staubigen Erdfeld beobachtete ich ein paar Kinder, die dort Fußball spielten. Jedem Schritt folgte eine Staubwolke. Wir fuhren quer durch den Abendmarkt des Ortes und sahen das rege Treiben dort. Am besten gefiel mir die gespannte Schnur, auf der ein paar verschiedene Zeitungen hingen. Geld, um sich eine zu kaufen hat hier kaum einer, also können die Leute hier einfach vor Ort lesen. Madame Suzy brachten wir nach Hause.
Am Abend, als es ganz finster war, fuhren wir dann nochmal los und ich durfte den Ausblick auf die Lichter der Stadt von einem Berg aus genießen. Tuki, den junge Helfer bzw. Praktikant der beiden, packten wir auch ein, da er dies selbst noch nie gesehen hatte. Sie zeigten mir ein paar Sehenswürdigkeiten im Dunklen, wie z. B. eine große französisch—gotische Kirche und ein erst kürzlich erbautes Fußballstadion, und dann fuhren wir fürs Abendessen nach Hause.
Hier kann man sich dich nur wohlfühlen, oder?
Grüße, eure Babsi!
(5.8.2024)
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