Das dunkle Geschäft im Darién-Dschungel

Veröffentlicht am 9. August 2023 um 17:23

Liebes Tagebuch, liebe Leute!

Nachdem es kurz vorm Panamakanal-Stop zu schütten begonnen hatte, blieb ich doch im Hop On Hop Off Bus sitzen. Wir sahen die Schleusen und das Stausystem teils von der Straße aus und auch auf tausende Container konnte ein Blick geworfen werden.

*Kurze Geschichtsstunde: Zuerst waren es die Franzosen, die den Kanal bauen wollten. Das Ganze missglückte jedoch und über 20.000 Arbeiter starben an Unfällen und Krankheiten (Gelbfieber, Malaria). 
Die Amerikaner starteten den 2. Versuch, besiegten das Gelbfieber und erfanden ein neues Konzept: Sie erbauten ein wahnsinns Schleusensystem, mit dem Schiffe vom Meeresspiegel ausgehend 26 Meter (!) angehoben und wieder abgesenkt werden können. Zu dieser Zeit war der Panamakanal das kostspieligste Bauwerk weltweit. Das klingt ja sogar für mich "Nichttechnikmensch" schon faszinierend.

Ich saß noch immer am oberen Deck wohlbemerkt. Das wurde dann zum kleinen Abenteuer, als z. B. der Regen von beiden Seiten reingepeitscht wurde, oder gleich Massen vom Dach runter und rein schwappten. Meine Rucksäcke nahm ich beide auf den Schoß (Sitzplätze und Boden waren überschwemmt) und beschloss, als einzige Person trotzdem noch oben zu bleiben - im Glauben daran, dass es sich um einen klassischen 10-20 Minuten Schauer handeln würde. War dann auch wirklich so.

Wir sahen einige Denkmäler und Statuen an, fuhren am Mercado de Mariscos vorbei (wo es angeblich das allerbeste Seafood Restaurant gäbe) und landeten schließlich auf den beiden Inseln Flamenco und Perica. Eine Straße verbindet insgesamt 4 Inseln mit dem Festland. Gebaut wurde diese Landbrücke aus Schutt des Panamakanals. Mit all den Palmen und der Skyline von Panama-Stadt im Hintergrund war es richtig toll, in dem roten Bus dahinzuflitzen. Hier findet man neben Restaurants, Shoppingmöglichkeiten und sonstigem Freizeitangebot auch das Panama Zeichen, wo wir einen kurzen Fotostopp einlegten.

Die vielen Hochhäuser wurden übrigens erst dann gebaut, als die Einnahmen des Kanals vor gut 20 Jahren wirklich dem Staat Panama zugesprochen wurden. Und die Chinesen haben hier auch überall ihre Hände im Spiel. Supermärkte befinden sich z. B. fast alle im Besitz der "Chinos". Die können es einfach nicht lassen. 

Doch all das war nicht vergleichsweise so interessant, wie das Gespräch, das ich mit der Buslady führte, als die Tour vorbei war.
Ich nutzte den Bus nämlich gleich als Taxiersatz und fuhr mit ihm nochmal bis zur Mall mit, welche sich ja in Busbahnhofsnähe befindet. Dort würde ich noch heute Abend abfahren. Giovanni hieß die Dame, welche sich mir annahm und mit mir in der halben Stunde u.A. über eine der tötlichsten Flüchtlingsrouten der Welt sprach : Die Flucht durch den Darien - Dschungel, den dichtesten und gefährlichsten Urwald der Welt. Denkt mal nach: Gibt es zwischen Nord - und Südamerika eine Straße? Brücken? Wege? Nein. Bis heute kann man nur per Schiff oder Flugzeug diese Strecke überwinden. Doch warum? Der Dschungel beherbergt unglaublich starke Flüsse, hohe Berge und Gelände, welches einen Straßenbau einfach unmöglich macht. Es wurde schon versucht, so ist es nicht. Und die Menschen, die aus Gewalt-und Armutsgründen aus Südamerika fliehen wollen, können eben nur über den Landweg in die glorreichen USA gelangen. Dort wird das Leben dann viel besser sein - versprechen jedenfalls die Schleuser, denn das Ganze wurde schon lange zu einer riesen Geldsache. Giovanni erzählte, dass Familien ihr gesamtes Hab und Gut, inklusive Haus und Grund, verkaufen, nur um ein "Ticket" durch den 100km langen Dschungelabschnitt zu bekommen. 2022 wurden 250.000 Migranten in Panamá registriert, wieviele auf der Reise gestorben sind lässt sich nur ganz schwer einschätzen. Die meisten kommen aus Venezuela und Haiti. 

Sie hatte vor nicht all zu langer Zeit eine Dame in ihrem Bus, die diese Flucht selbst überlebt hat und diese meinte damals zu ihr: Würden diese Leute nur ANSATZWEISE darüber informiert werden, WIE gefährlich diese Strecke ist, würde es vermutlich kaum einer wagen. Doch Geld regiert die Welt und so wird die Route weiterhin angepriesen. Doch was passiert? Naturgewalten, Krankheiten, Verletzungen, Hunger und vor allem wilde Tiere zerstören ganze Familienbande und lassen Menschen sterben wie die Fliegen. Noch dazu verstecken sich in dieser Region viele Drogenkartelle, morden, vergewaltigen und stehlen die Kinder, um sie selbst in ihrem Willen großzuziehen. Was ist dieser Dame im Bus nun geschehen? Sie unternahm diese Flucht mit ihrem Mann, ihren zwei Kindern und ihrem Bruder. Als sie gerade durch einen der größeren Flüsse schwammen, wurden Krokodile auf sie aufmerksam und schnappte sich jeden einzelnen - bis auf sie. Eines hätte auch sie erwischt, hätte sich ihr Mann nicht schützend vor sie geworden. Alle tot, sie kam alleine in Panama an.

Ihr könnt euch vorstellen, wie mir die Gänsehaut während der gesamten Erzählung aufstieg. Ich hab mich seitdem auch etwas mehr in das Thema eingelesen. Sollte es euch ebenfalls interessieren, googelt einfach nach dem Darien Gap. (Wenn ihr mit so viel Leid in den Zeilen umgehen könnt.) 

Das ist zwar ein sehr bitteres Ende für einen Tagebucheintrag, aber wer von uns wohlbehütet aufgewachsenen Europäern weiß über das Leid im Rest der Welt schon Bescheid? Etwas Weitsicht schadet nicht. Man kann sich nicht aussuchen, wo man geboren wird. Schätzt das mehr, es geht auch anders!

Im nächsten Beitrag wird es wieder "fröhlicher", versprochen! :))
Bis dahin alles Gute, eure Babsi!

(Sonntag, 5. August 2023)

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Kommentare

Sabine
Vor 9 Monate

Liebe Barbara! ...das sind wirklich tragische Schicksale. Einfach unvorstellbar! Du schreibst wirklich tolle Berichte mit einfülsamen Worten....Respekt dafür ;-) Ich freue mich schon auf weitere Berichte über deine spannende Reise! Alles Gute weiterhin! Bussi!

Robert
Vor 9 Monate

....Babsi, die geborene Schriftstellerin... super! Lg vom Tiefenbach ohne 🐊..