
Liebes Tagebuch, liebe Leute!
Wie gesagt, die Weiterreise entpuppte sich als recht spannend. Zuerst schickte man mich per Sammeltaxi zur Immigration von Ecuador, nur um mir nach laaangem Anstehen in der Warteschlange, Problemen beim Ausfüllen eines Onlineformulars (mein nicht vorhandenes Internet und die Suche nach jemandem mit Hotspot war nur eines von vielen Übeln) und sengender Hitze am Schalter zu erklären, dass ich zuerst den Stempel in Kolumbien bei der Emigration abholen müsse. Wieso hatte man mir diese Falschinformation gegeben?
Ich überquerte also nochmals die Grenze per Brücke, um mich eine Dreiviertelstunde dort in die nächste Warteschlange zu stellen. In 20 Sekunden war ich dafür am Schalter auch schon fertig und schleppte meinen Rucksack abermals über die Grenze nach Ecuador, nur um mich erneut in die Schlange zu stellen. Noch immer nichts gegessen, 24 Stunden kaum geschlafen uääääh...
Dieses mal bekam ich wenigstens meinen Einreisestempel, hurra.
Kaum war ich durch die Tür der Immigration getreten, ging das Chaos los.
"Taxi? Taxi colectivo?" Ich antwortete, dass ich nach Quito möchte und einer nahm mir direkt den Rucksack ab, warf ihn hinten in den Kofferraum und zwerchte mich zu den anderen Leuten in den Minibus dazu. Das kam unerwartet. "Bis zum Terminal und dort geht der Bus nach Quito!"
Okay okay, ich wusste also weder, wieviel die Fahrt kostet, noch rechnete ich damit, dass das Sammeltaxi bereits Richtung Ecuador losdüste. Wurde mir nicht 3x gesagt: Zuerst den Immigrationsstempel an der Grenze abholen und dann nach Ipiales zum 2. Busbahnhof zurückkehren, um ein Busticket zu erwerben?
Naja, den Stempel hatte ich ja bereits im Pass, also war es mir ganz recht so. Bezahlen konnte man sowohl in Pesos, als auch in US-Dollar, der Währung Ecuadors. Als das Taxi dann am Busbahnhof ankam, war es entgültig vorbei. Ich war noch nicht mal ausgestiegen, rief schon ein Typ rein: "Quito, Quito?". Ich antwortete mit ja, stieg aus dem Taxi und er meinte nur "schnell, schnell, welches ist dein Gepäck?" Ich tippte auf meinen Rucksack, da wurde er auch schon von einem zweiten Unbekannten auf den Rücken gehieft und er marschierte damit davon. Noch bevor ich was einwenden, oder sagen konnte, meinte der andere, wir müssen schnell mein Ticket kaufen. Aaah ich hatte weder Zeit aufs Klo zu gehen, noch eine neue Simcard mit Internet zu kaufen, geschweige denn Geld zu wechseln bzw. abzuheben. "Ach, du hast noch keine Dollar? Zeig mal, wieviele Pesos hast du noch?" Ich holte all meine Scheinchen im Wert von gut 30 Euro raus und konnte gar nicht so schnell schaun, hatte er mir das Bündel aus der Hand gezupft. "Du läufst jetzt zum Bus XY da hinten und steigst ein und ich erledige den Rest!" - und da war er auch schon weg. WAS BITTE IST HIER GERADE INNERHALB VON NICHT MAL EINER MINUTE PASSIERT? Rucksack weg, Geld weg, nur die verwirrte Babsi mit offenstehendem Mund stand noch in der Gegend rum. Äähm okay, dann schau ich mal nach besagtem Bus, oder? Was anderes konnte ich jetzt eh nicht machen. Ich fand ihn auch recht flott, doch als ich den Buschaffeur nach meinem Rucksack fragte meinte er nur gestresst: "Ja ja, einsteigen, wir fahren los!" Ich konnte also nur hoffen, dass alles so passte. Mein Geld sah ich schon verloren, aber ich setzte mich einfach mal in den Bus rein. Er fuhr auch direkt los und ich staunte nicht schlecht, als er nach ca. 30m stoppte, der Typ von vorhin in den Bus sprang, zu mir lief, mir mein ganzes Geld auf den Cent genau- gewechselt in Dollar- in die Hand drückte, mir einen schönen Tag und einen tollen Aufenthalt in Ecuador wünschte und auch schon wieder aus der Tür sprang. Hatte er mir doch tatsächlich mein Geld umgetauscht, damit ich den Bus nicht versäume.
Noch immer kam ich mit den Ereignissen der letzten 30 Minuten nicht so ganz klar, beruhigte und entspannte mich aber endlich, als wir ein Stück gefahren waren, ich mein Ticket beim Chauffeur bezahlte und meine Kekse auspackte. Was für ein Tag, aber jetzt saß ich ja immerhin im richtigen Bus Richtung Quito und konnte die Fahrt unbeschwert genießen. Dachte ich zumindest, ach, wie war ich naiv.
Vielleicht eine halbe Stunde später hielt der Bus an einer Kontrollstation an und ein Typ in Armeekleidung kam herein und fragte streng nach den Dokumenten. Puh, hoffentlich ist der eine Stempel im Pass auch wirklich das einzige, was ich brauche. Bestimmt, was bräuchte ich denn sonst noch, oder? Als der Herr bei mir war und gerade meinen Pass nahm, sah ich den Chauffeur hinter ihm auftauchen. Und er zeigte auf mich. Gestresst. Und wollte, dass ich sofort mit ihm aussteige. "Was, wieso? Aber mein Rucksack, warten sie ganz kurz...", stotterte ich und konnte mir gerade so noch mein Handy schnappen bis der Armeetyp "Jetzt, sofort, an mir vorbei nach draußen!" rausposaunte. Was um Himmels Willen ist denn jetzt bitte schon wieder los? Ich verstand die Welt nicht mehr.
Als ich nach draußen trat, hatte der Chaffeuer meinen Rucksack in der Hand und ein weiterer Typ in Militäruniform stand daneben- beide wenig erfreut. Oh Gott, hatte mir vielleicht jemand in Kolumbien Drogen in meinen Rucksack gesteckt? Man hört ja so einiges, vor allem der Grenzübergang gehört zur brenzligen Zone. Daweil hatte ich doch so gut aufgepasst!
"Ist das dein Rucksack?", fragte er gestresst und wollte ihn mir schon in die Hand drücken. Jetzt is aber genug, ich hatte die Schn**ze voll von der ganzen Ungewissheit in diesem Land! Ecuador, ich bin erst wenige Minuten hier, doch überlege gleich direkt nach Perú weiterzureisen.
"Was bitte soll ich jetzt mit meinem Rucksack machen?", baffte ich ihn an, als der Militärtyp ihm auf die Schulter klopfte. Er gab ihm ein Zeichen für "in Ordnung" und zack drehte der Chaffeuer auch schon wieder um, schmiss meinen Rucksack zurück in den Bus und sagte zu mir: "Einsteigen, einsteigen, wir fahren weiter!".
Häää? Wenn es deren Ziel war mich vollständig zu verwirren, hatten sie es geschafft. Ich stieg also zögerlich wieder in den Bus und bemerkte sogleich, wie alle Augen der Passagiere fragend auf mir ruhten. Klar, ich war ja auch die Einzige, die aussteigen musste. Ich schaute einmal durch die Runde, zuckte mit den Schultern und gab so zu bekennen, dass ich selbst nicht wusste was los war und setzte mich wieder. Der Dokumentkontrolleur war gerade dabei den Bus zu verlassen, als ich ihm nachschrie: "Entschuldigen sie bitte, könnte ich vielleicht meinen Reisepass zurück haben?" Anscheinend hatte er diesen inzwischen komplett vergessen, suchte kurz bei seiner Uniform und gab ihn mir mit genervtem Gesichtsausdruck zurück. Das wäre ja noch schöner gewesen, wäre dieser nun futsch.
Wieder mal war ich so unglaublich froh, etwas Spanisch sprechen zu können- heute wäre ich ansonsten schon mehrmals aufgeschmissen gewesen. Aber komplett. Kein einziges Wort Englisch wird hier mit einem gesprochen.
Das war's dann aber auch schon vorerst mit der Action. Der Bus fuhr mich durch atemberaubende Berglandschaften bis nach Quito. Es war leider inzwischen auch schon stockfinster geworden, da der Bus um einiges länger fuhr, als vorgesehen. Zwischendurch stiegen immer wieder Leute mit Waren in den Bus ein und ich kaufte mir so nach und nach bequem was zu trinken, einen Becher voll mit geschnittenem Obst, ein Sackerl Süßkram und - ein Stück Pizza. 😅 Ja, ich denke mal mein Magen war inzwischen einiges gewöhnt und reagierte kaum oder eher gar nicht auf das Essen auf Rädern. Auch Schmuck und Silberketten wollte man anbringen. Schon lustig, wenn alle paar Minuten jemand einsteigt und vorne sein in und auswendig gelerntes Plädoyer vortrug: "Hallo meine Damen und Herren, darf ich eine Minute eurer wertvollen Zeit stehlen? Ich bin X vom kleinen Familienbetrieb Y und wir stellen mit größter Liebe und Sorgfalt Z her. Sehen Sie diese Qualität? Ich verspreche Ihnen....", uuuund so weiter und so fort. Folgende Taktik finde ich auch ganz nett: Der Verkäufer drückt jedem, ob man will oder nicht, eine Silberkette in die Hand ("Für dich, Madame!"), hält dann vorne sein Ständchen und geht alle Leute erneut ab. Inzwischen konnte man sich das Gut ganz genau anschauen und entscheiden, ob man es ihm zurück geben, oder es erwerben möchte.
So, Ecuador, ich hoffe doch stark, dass sich ab jetzt alles zum Besseren wendet? Ich lasse mich gerne positiv überraschen!
Bye, eure Babsi!
(Nachtrag für Montag, den 31. Oktober)


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Kommentare
Hallo Barbara! Ein Wahnsinn, was Du erlebt hast, in solchen Ländern lebtest Du gefährlich!
Bin froh ,daß Du gesund heim gekommenen bist.LG.Irmi