Seltsame Stammesbräuche

Veröffentlicht am 14. November 2022 um 03:19

Liebes Tagebuch, liebe Leute!

Geschlafen hab ich trotz hoher Temperaturen (der Ventilator bringt ja kaum was, wenn der Strom um 22 Uhr abgestellt wird) überraschend gut.
Ich holte mir vor dem Frühstück in der Bäckerei zwei süße Brötchen, um in der Früh nicht nur von Fisch leben zu müssen. Den gibt es hier tatsächlich 3x am Tag. Zusätzlich gab es heute auch Capybara zum Reis und den Plantanen - das ist das riesen Meerschweinchen, wovon ich im Bogota - Foodtour - Beitrag ein Foto gepostet hatte. Frisch im Dschungel gejagt und schon am Teller. 😅 Während des Essens konnte ich im übrigen einige Leute des Stammes am Wasser unten beobachten, wie sie im Amazonas ihre Wäsche wuschen. Tja, eine Waschmaschine gibt es hier im Dschungel nun mal nicht! 

Und dann gab es News, es kamen nämlich neue Leute zu uns dazu und würden ab nun Teil der Gruppe sein. Den ersten versäumten Tag würden sie einfach nach unserem Abreisetag nachholen. Es handelte sich um vier junge Leute aus Kolumbien, Deutschland, Frankreich und Australien. Sie frühstückten mit uns und waren auch mit dabei, als eine neue Touristengruppe ankam, um sich den Tanz des Stammes anzusehen. Und heute gab es zusätzlich ein kleines Highlight, denn eine junge Frau des Stammes hatte Geburtstag. Es wurde also zuerst für sie getanzt und dann gab es ein ganz gewöhnungsbedürftiges Geburtstagsritual : Am Geburtstag der Frau muss der Ehemann nämlich entweder eine lebendige Riesenmade essen, oder seiner Frau die Haare abschneiden. Bitte was? Uäääh, schaut euch mal die Dinger auf dem Foto an, die sind gigantisch! Zum Glück der Frau entschied sich ihr Liebster für die Delikatesse und rettete so ihre Haarpracht.

Das hat mein Interesse geweckt und ich erfragte einen ganz schrecklichen, weiteren Brauch des Stammes, der bis vor weniger als 50 Jahren noch praktiziert wurde. An dem Tag, an dem ein junges Mädchen ihre erste Menstruationsblutung hatte, wurden ihr von den Stammesmitgliedern alle (!) Haare am Kopf ausgerissen und sie wurde für ein komplettes Jahr in eine Art Käfig im eigenen Haus eingesperrt. Ich dachte ich hab mich verhört, als ich diese Geschichte vorgesetzt bekam. "Nein, traurigerweise ist das wahr- die Frauen haben sehr gelitten", wurde uns erzählt und jeder sei froh, dass der Brauch inzwischen abgeschafft wurde. Um Gottes Willen, zugeht's auf der Welt, das ist nicht mehr normal.

Wir fuhren noch am Vormittag flussaufwärts nach Puerto Nariño - einem weiteren Ort am Amazonas, der ca. eine Stunde flussaufwärts lag. Wir bekamen dort unser Mittagessen serviert und wanderten dann eine Zeitchen ins Landesinnere, um zu einer besonderen Farm zu gelangen. Kevin, ein 8-jähriger Junge des Stammes, begleitete uns und spielte den Fremdenführer. Das hat er auch wirklich gut gemacht und ich hab so viel wie möglich mit ihm geredet,nachgefragt und gequatscht.

Auf dieser speziellen Farm werden riesige Süßwasserfische herangezogen, nachdem sie von Fischern im Amazonas nahezu ausgerottet wurden. Den Namen der Art hab ich leider vergessen, aber ich konnte die vier Exemplare (die Zucht ist äußerst schwierig und langwierig) bestaunen, als der Besitzer sie mit Fleischhappen anlockte. Die schnappten nach den Happen wie Haie im Meer - Gesellschaft möchte man denen da drinnen also irgendwie nicht leisten 😅. Wenn mehrere herangezogen wurden, würden sie im Amazonas ausgelassen werden.
Wir machten noch eine ganz gewöhnungsbedürftige Wanderung um die Seen herum. Teils versanken die Bretter zum Drauftreten im Wasser und teils waren die Stege zum Balancieren so unglaublich schmal und ohne Möglichkeit zum Festhalten, dass ich da nur mit ganz viel Bauchweh drüberging. Irgendwie rechnete ich schon damit im nächsten Tümpel zu landen, aber glücklicherweise ging alles gut.

Bevor wir durch den Regenwald wieder zurück ins Dorf wanderten, konnten wir noch einen Blick in deren zu Hause werfen, weil dort gerade zwei Papageien in der halb offenen Küche gelandet waren. Einer davon war Río, ein Männchen, welches sich oft hier blicken lässt und auch schon etwas von der menschlichen Sprache aufgeschnappt hatte. Er begrüßte uns mit einem freundlichen "Hola" und plapperte noch ein paar andere Wörter vor sich hin. Das, was mich allerdings wirklich unglaublich sprachlos machte, war seine Tonlage: Manchmal sprach er das "Hola" nämlich mit einer imitierten Frauenstimme aus und du konntest einfach nicht glauben, dass das nicht von einer Frau stammte. Zu 100 % hätte ich meinen Ar*** verwettet, dass das kein Vogel sei, hätte man mir nur eine Tonaufnahme vorgespielt. Total verrückt und sowas von faszinierend.
Wir verabschiedeten uns von Río und der Familie und gingen wieder zurück. Dieses mal fragte ich nach, was es mit dem verkohlten Stück Wald auf sich hatte, das wir passierten, und mir wurde erklärt, dass es gezielt brandgerohdet wurde, um Obstbäume anpflanzen zu können.

Zurück im Dorf erklimmten wir noch den Aussichtsturm, die Männer kauften sich eine ganze Palette Bier zum Mitnehmen und wir fuhren am Boot weiter zu einem See, der direkt an den Amazonas anschloss. Hier würden wir nun unser Glück beim Fischeangeln ausprobieren! Ich hatte noch nie zuvor geangelt und blieb mit meiner Angel (ein Ast mit Schnur und Hacken dran) dementsprechend auch erfolglos. "Willst du die Fische fangen, oder nur füttern?", wurde ich lachend gefragt. Hahaha, was san ma heute witzig. Wir nutzten übrigens Anakondafleisch als Köder, kein Witz, und anscheinend kam das vor allem bei den Piranhas großartig an. Während wir einen Köder nach dem anderen verschleuderten, fing unser Guide mit jedem einzelnen Versuch einen Fisch raus. Wie zur Hölle...? Nur einer von uns zog einen kleinen Fisch an Board, das war's. Aber Spaß hat es trotzdem ganz viel gemacht! 😇

Die Rückfahrt zur Unterkunft dauerte nicht ganz so lang, da wir mit der Strömung reisten. Aus der Ferne hatten wir heute auch schon einen Flussdelfin entdeckt- mal schaun, ob wir morgen etwas näher ran kommen! 😉 Bis bald, eure Babsi!

(Nachtrag für Mittwoch, den 19. Oktober) 

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