
Liebes Tagebuch, liebe Leute!
Weiter gehts im Programm. Nach gut einer Stunde Bootsfahrt kamen wir beim Dorf des indigenen Stammes Macedonia an. Maloca Barü heißt die Unterkunft unserer Familie und ich staunte nicht schlecht, als sie mir mein eigenes Zimmer zeigten: Ein großes Bett, eine Hängematte, ein Spiegel und ein Schreibtisch mit Sessel nur für mich alleine. Wow! Von anderen, die eine ähnliche Tour über einen anderen Anbieter gebucht hatten, hatte ich gehört, dass sie meist draußen im Zelt oder auch in der Hängematte schlafen mussten. Hat natürlich auch etwas, aber in Anbetracht dessen, dass es hier fast jede Nacht regnet, war mir ein Dach über dem Kopf doch ganz recht. Zudem leben im Amazonas einige der gefährlichsten Tiere weltweit und da geben einem eine verschlossene Tür und ein Moskitonetz doch gleich mehr Seelenfrieden. Ich beschwerte mich also nicht. Auch nicht, als es hieß, dass uns gleich unser Frühstück im Gemeinschaftsbereich serviert werden würde. Yess endlich, wir waren schon alle sterbenshungrig, da wir nichts gefrühstückt hatten und jetzt schon der Nachmittag abgebrochen war.
Wir trafen uns zu besagter Zeit und nahmen auf den Holzbänken Platz, wovon aus man einen herrlichen Ausblick direkt auf den Fluss hatte. Angeblich kann man manchmal auch von hier aus die Flussdelfine entdecken, also ließ ich meine Blicke solange übers Wasser schweifen, bis das Essen da war. Und ja, ich würde lügen, würd ich sagen, dass ich nicht blöd aus der Wäsche geschaut hab. Was für ein Fisch gafft mich denn da aus meinem Suppenteller an? 😂 Wir bekamen als Frühstück sage und schreibe eine Piranhasuppe, mit einem kompletten Piranha darin, serviert! Ich, die erst vor nicht all zu langer Zeit damit begonnen hatte überhaupt etwas Fisch zu essen, war anfangs etwas überfordert. Wo fange ich jetzt an? Ich guckte ein paar mal zu Pedro rüber und begann dann einfach zu essen. Ich hatte nicht mal noch die Suppe fertig gegessen, da wurde mir schon ein zweiter Teller hergestellt: Frühstücksgang Nr. 2 mit Reis, Linsengemüse, Plantanen und einem gebackenen weiteren ganzen Fisch. 😅 Wer bitte soll das alles essen? Um nicht unhöflich zu erscheinen kämpfte ich mich eben auch brav durch den 2. Teller durch. Zu jedem Essen wird hier frischer Saft serviert, das genoss ich besonders!
Nach einer kurzen Mittagspause, die ich dösend in meiner Hängematte verbrachte, wurden wir zur Tanzvorstellung gerufen. Ein ganzes Boot mit Touristen war angereist und hatte unten Platz genommen. Die Einwohner des Stammes trugen ihr traditionelles Gewand und begannen dann zu ihrem Gesang einfache Tanzschritte zu tanzen. Obwohl der Stamm eine eigene Sprache spricht, sprechen sie auch fließend Spanisch. Englisch? Kein Wort.
Der nächste Punkt auf der Tagesordnung war eine Dorfführung. Sonnencreme war nun ein Muss, denn das Wetter war traumhaft! Ich staunte nicht schlecht, als wir über einige Stufen und Wege weiter nach oben gelangt waren: Hier gab es viel mehr Häuser, als ich zuerst vermutet hatte! Hinter jedem Hügel und jeder Baumreihe entdeckte man (oft versteckt) wieder ein Zuhause. Richtig friedlich still war es hier. Man hörte verschiedene Vögel zwitschern und ab und zu ein Klopfen. Letzterem gingen wir auch gleich auf den Grund: Die Männer hier beschäftigen sich sehr viel mit Holz-, und Schnitzhandwerk. Aus tropischem Holz werden ganz ohne technische Mittel und mit viel Fleiß Teller, Platten, Becher, Besteck, Figuren und vieles mehr hergestellt. Bei zwei verschiedenen Häusern durften wir ihnen dabei ganz genau zusehen. So viel Arbeit, um das meiste schlussendlich für einen recht günstigen Preis an Touristen zu verkaufen. In einem der nächsten Berichte seht ihr ein paar Fotos der fertigen Produkte und Souvenirs, welche im Gemeinschaftsbereich an Ständen verkauft werden.
Saul erklärte uns auch viele Pflanzen und Obstbäume auf unserem Weg. Auf einem Foto seht ihr eine Saftpresse: Ein ganz einfaches Holzkonstrukt, das mit Hilfe der Hebelwirkung arbeitet. Der Saft rinnt über ein Blech dann in einen Auffangbehälter. Generell wird hier großteils das gegessen und gekocht, was selbst angebaut, gesammelt, oder gejagt werden kann. Auch an einer riesigen Hütte kamen wir vorbei, die dem Stamm als Gemeinschaftsgebäude dient und z.B. bei besonderen Festlichkeiten benutzt wird.
Die Wohnhäuser werden übrigens alle auf Stelzen und nicht am Boden gebaut und das ganz alleine aus einem Grund: Schutz vor Schlangen! Anakonda, Kobra und Co. können ganz schnell mal zur Lebensgefahr werden und statten den Menschen hier regelmäßig mal einen Besuch ab. Puh, also Augen auf, wenn man im Finsteren draußen herumspaziert!
Im gesamten Dorf laufen frei zig Hühner, Hunde und Katzen rum, man sieht zahlreiche Schmetterlinge und Vögel und wird richtig entschleunigt durch die Einfachheit des ganzen Lebens hier. Strom? Gibt es nur zwischen 17 und 22 Uhr. Fernseher? Gibt es genau einen - auf der Terrasse eines Supermarktes. Party? Definitiv nicht hier, für die jungen Leute gab es tatsächlich nicht viel, mit dem sie sich die Zeit vertreiben konnten. Sie trafen sich einfach jeden Abend im Dunkeln an einer abgemachten Stelle, um miteinander zu tratschen. Alkohol und Zigaretten gibt es hier nicht. In zwei Tagen sollte ich jedoch rausfinden, dass es wenigstens ein Fußballfeld gibt.
Nach unserer Tour hatten wir den restlichen Nachmittag zur freien Verfügung, bevor es zur Nachtwanderung in den Dschungel ging. Ich wollte eigentlich im Zimmer entspannen, doch das fiel mir recht schwer, als ich mitanhören durfte, wie meine Zimmernachbarn - eh bemüht leise - über eine Stunde Liebe machten. Das nenn ich mal eine produktive Zeitnutzung. Um die Zeit totzuschlagen ging ich stattdessen zur Bäckerei des Ortes. Zugegeben, mit zwei Sorten Gebäck, zwischen denen du wählen kannst, ist sie eine seeehr kleine Bäckerei - aber zusammen mit dem Minisupermarkt die einzige Möglichkeit, um sich abends wo hinzusetzen. Pedro und unsere zwei Turteltauben kamen später auch dazu. Inzwischen war es schon finster geworden. Ein junger Mann ca. in meinem Alter kam ebenfalls zur Bäckerei, doch statt etwas zu kaufen blieb er beim Eingang stehen und sah mich zielgerade für zehn Minuten an. Schräg, ganz schräg. Irgendwann sah ich ihm direkt ins Gesicht, setzte mein nettestes Grinsen auf und fragte: "So, na was gibt's denn jetzt?" Er gaffte mich noch kurz weiter an, grinste einmal frech, drehte sich um und ging, ohne etwas zu kaufen.
Ich machte mich etwas später, nach unserem Abendessen, bereit für unsere Nachtwanderung durch den Dschungel. Lange Kleidung (auch wenn es noch so warm war) und Moskitospray waren ein Muss. Saul ging mit seiner guten Taschenlampe voraus und wir mit den Handylichtern hinten nach. Ganz langsam und Blick immer auf den Boden - man möchte ja auf keine Tarantel treten. Eigentlich schon etwas furchteinflößend mitten in der Nacht durch den stockfinsteren Wald zu spazieren, wenn man weiß, welche Tiere hier überall leben. Ich fand sowas aber schon immer richtig cool und hatte ja auch einen erfahrenen Guide vor meiner Nase. Als wir das Dörfchen hinter uns gelassen hatten, mussten wir schon recht bald über ein dünnes Brett gehen, das über einen Bach führte. Davon war ich ja überhaupt kein Fan: Nix zum Anhalten und sollte dich einmal der Schwindel überkommen, würdest du mitten im Anazonastümpel landen. Echt keinen Bock, die Viecher darin kennen zu lernen, aber Pedro war so nett und streckte mir von der anderen Seite aus so weit es ging den Arm entgegen.
Es konnte also weiter gehen und es dauerte auch nicht lange, da sahen wir die ersten Taranteln nur cm neben unserem Pfad. Sie erstarrten direkt neben ihren Bodenlöchern, als wir sie mit dem Licht trafen. Gaanz langsam ging ich an ihnen vorbei, nachdem ich wacker ein Foto geknipst hatte. Spinnen sind einfach die Tiere, die mich am meisten ausflippen lassen und dass diese hier noch dazu giftig waren machte es nicht besser. Auf einer Pflanze fanden wir kurz daraufhin auch die größte Spinne, die ich bisher in meinem ganzen Leben gesehen hatte: Ein schwarzes, behaartes Bist von einer Tarantel. Wah woa dei grauslig. Nix wie weiter.
Leider konnten wir auf unserer Tour durchs Gebüsch (Saul hatte seine Machete dabei, um uns den Weg wenn notwendig freizuschlagen) keine Schlangen entdecken. Auf das hatte ich so sehr gehofft, denn hier gibt es Anakondas, die bis zu 9m lang werden können. Es wäre der Wahnsinn gewesen, so eine zu sehen, aber die Natur kann man nun mal nicht planen.
An einem ganz bestimmten Baum machten wir Halt und kehrten um. "Ab hier darf man nur noch mit Gewehren weiter gehen, ab hier ist es zu gefährlich ohne", meinte Saul. Was? Was ist der Grund dafür? Als er mit Tiger antwortete, dachte ich, ich hätte mich verhört. Tiger gibt es laut meinem Wissen nur in Asien und ich war mir eigentlich zu 100 % sicher gewesen, dass Jaguar und Puma die hier angesiedelten Großkatzen waren. Und ich irre mich nur sehr ungern, wenn ich mir bei was sehr sicher bin. "Nein, kolumbianischer Tiger. Und Tigre Mariposa. Das Revier beginnt hier in 2 km", sagte Saul und obwohl ich ihm noch 10x erklärte, dass das nicht stimmen kann, blieb er dabei. Lachend meinte er nur: "Wohnst du hier, oder ich?"
Gut, es machte keinen Sinn hier weiterzudiskutieren, aber SOLLTE ich das erste Mal wieder gutes Internetsignal haben, wird das das Erste sein, was ich recherchieren würde. (Gleich vorweg gegriffen: Pedro zeigte mir am nächsten Morgen am Handy einen Screenshot eines Zeitungsartikels einer kolumbianischen Tageszeitung. Er hatte anscheinend ganz früh am Morgen etwas Signal abbekommen. Im Bericht fand man tatsächlich zwei Fotos des kolumbianischen Tigers. Ich konnte es zwar noch immer nicht glauben, gab aber erstmals klein bei).
Am Rückweg erwartete uns eine nette Überraschung : Eine der Taranteln hatte sich mitten auf den Weg gestellt. "Sie ist bereit, um anzugreifen. Seht ihr die Vorderbeine, die warnend nach oben gehalten werden?", meinte Saul und spazierte zwei Sekunden darauf direkt neben ihr im Gebüsch vorbei. Warte, was? Angeblich würde sie einen anhüpfen, wenn sie angreift. Die anderen gingen ebenfalls neben ihr vorbei, doch ich konnte einfach nicht. Das Viech war so groß und niemals würde ich weniger als einen Meter an es rangehen, wenn es so und so schon in Kampflaune war. Nein, ich bleib lieber alleine mitten im Dschungel hier. Die Lösung erschien mir passender. Schlussendlich hoben / zerrten mich die Männer hilfsbereit seitlich an dem Ding vorbei. Wah. Wah, wah, wah - bin ich froh, dass die nicht losgesprungen ist (ich wäre gestorben und das nicht mal wegen des Giftes).
Zurück im Hostel genoss ich nach einer kurzen kalten Dusche den Comfort meines eigenen Zimmers. Es war heute wirklich heiß und anstrengend gewesen, also schlief ich auch dementsprechend gut.
Morgen steht wieder einiges am Programm, ihr dürft gespannt sein!
Grüße, eure Babsi!
(Nachtrag für Dienstag, den 18. Oktober)
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