
Liebes Tagebuch, liebe Leute!
SCHOCKGEFROSTET, sag ich nur. In der Nacht gingen die Temperaturen hier auf 2640m Seehöhe bis zur 5 Grad Marke runter und es wird in den Gebäuden nicht geheizt. Die Dämmung der Wände meines Hostels ließ ebenfalls zu wünschen übrig und so lag ich mit mehreren Schichten Kleidung unter 3 hauchdünnen Decken (warum gibt es gerade hier keine warme Kuscheldecke? 😭) begraben zusammengerollt im Bett. Der Fernseher lenkte mich etwas von meinem Leiden ab: Jaaaa, nach Monaten hatte ich wieder einen Fernseher und es liefen einige gute englischsprachige Filme.
Der Tag heute wird ein interessanter, gleich zwei Walking Touren würde ich mich anschließen. Wir trafen uns wieder wie gestern am Museo de Oro (Goldmuseum) und schon bald ging es los und wir verließen die Touristenwege: Auf der Suche nach den besten Graffiti der Stadt! Ich habe ja bereits erwähnt, dass Bogotá eine Weltstadt der Graffitikunst sei und nein, das waren nicht nur ein paar hässliche Schmierereien an ein paar Hauswänden. Teilweise waren das unglaublich beeindruckende Kunstwerke!
Unser Guide Jeffrey klärte uns nebenbei über die Entwicklung der Graffitiszene in Kolumbien auf, informierte uns näher über bestimmte Künstler der Szene und erzählte uns einige Geschichten dazu. Oft wird ein Graffiti als Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis erstellt. So wurde z. B. vor einigen Jahren ein erst 16 jähriger Junge erschossen, als er beim Sprühen von der Polizei entdeckt wurde und versuchte wegzulaufen. Ihm wurde eine Wand mit seinem Portrait gewidmet. Politische Themen des Landes werden auch oft aufgegriffen. Kaum ein großes Graffiti wird einfach so gesprüht. Seht ihr das Graffiti mit dem Kochtopf und der Hand mit dem Maiskolben? Die Hand symbolisiert, dass nach den finsteren Zeiten, die in Kolumbien regelmäßig wiederkommen, immer wieder Gutes gesät wird. Der Kochtopf wird von Mutter Natur gehalten und zeigt, dass wir unser Leben ihr zu verdanken haben! :)
Und der alte Mann am Titelfoto? Sein Sohn war beim Militär und wurde von den eigenen Leuten getötet, weil er bei einer Aktion nicht mitmachen wollte, die er für unmenschlich hielt. Das Militär versuchte den Mord zu vertuschen und speiste dem Vater eine ganz andere Geschichte auf. Als aber die Wahrheit ans Licht kam, beschloss der Vater des getöteten jungen Mannes nun sein restliches Leben in einem Truck herumzufahren (der mit Graffiti und der Geschichte seines Sohnes besprüht war) und die Leute im Land über die Lügen zu informieren, die ihnen erzählt werden. Letztes Jahr ist er an Corona in Bogotá gestorben und ihm zu Ehren wurde diese Mauer gestaltet. Wahnsinnig interessant, oder?
Manchmal stand ich wirklich mit offenem Mund vor dem nächsten Gebäude, wenn wir wieder um eine Ecke bogen. So wunderschön und farbenfroh, da kann jede graue spießige Stadt einpacken, auch wenn sie noch so perfekt zu sein scheint. Den Anfang machte die Graffitiszene übrigens mit ganz schlichten aufgesprühten Sätzen, die sich meist gegen Hitler und die Nazis richteten.
Eine lustige Anekdote über Justin Biber will ich euch nicht vorenthalten: Vor vielen Jahren, als er als junger Popstar durchstartete, hielt er ein Konzert im Bogotá ab. Schwer beeindruckt von der ganzen Straßenkunst wollte auch er seine Initialen irgendwo auf einer Wand hinterlassen. Doch eiiiigentlich war das gesetzlich verboten - erst vor kurzem wurde der 16-jährige Junge erschossen. Justin bekam jedoch sogar 10 Mann Begleitschutz, um seine Schmiererei (letztes Foto) dort zu hinterlassen. Die Aufregung in der Bevölkerung war natürlich groß: Ach, der wird von der Polizei dabei unterstützt und wir werden bestraft, eingesoerrtund erschossen?
Es gab daraufhin viele Proteste und Aufstände und wenige Jahre später wurde Graffiti offiziell erlaubt. Gewisse Gebäude sind ausgenommen (Kirchen, Amtshäuser etc.), doch die meisten dürfen besprüht werden. Wer keine hässliche Schmierage auf z. B. seinen Geschäftsmauern wollte, hat sich direkt an einen talentierten Straßenkünstler gewidmet und sich bewusst etwas besonders Schönes auf die Mauern sprühen lassen.
Mich hat die Tour richtig begeistert, bitte schaut euch die Fotos dazu an. Es ist nur ein Miniminimini Ausschnitt der Kunst in Bogotá, aber trotzdem bereits beeindruckend. Entscheidet selbst!
Grüße, eure Babsi!
(Dienstag, 27. September)
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Kommentare
Hallo Barbara! Danke für die schönen Berichte und Bilder, ich sage nur wunderbar und schön Deine Reise!! Daß ist wirklich beeindruckend. Passe sehr auf dich auf. Wünschen Dir noch eine soooo super Reise. Lg. Manfred und Irmi 🥰