Roadtrip 🚙

Veröffentlicht am 29. Juli 2024 um 14:34

Liebes Tagebuch, liebe Leute!

Heute würden wir eine ganze Weile auf den Straßen unterwegs sein, denn wir würden Pater Sebi zu seiner neuen Zuständigkeitspfarre fahren. Der Kofferraum des bequemen Jeeps war voll mit all seinen Besitztümern. Dieses Mal nahm ich auf der Rückbank Platz, ebenso Pater Sony, den wir auf dem Weg in Ankilizato einpacken. Eine Strecke hatte ca. 200km, würde bei den Straßen hier aber mehrere Stunden Zeit in Anspruch nehmen. Kein Problem, für mich war das Ganze nämlich wie ein gratis Roadtrip, für den ich in anderen Ländern gut Geld bezahlt hätte. 😅

Pater Sony war zudem der perfekte Reiseguide und erklärte mir viele Dinge, die wir auf dem Weg beobachten konnten. Zudem erzählte er mir Geschichten über vergangene Ereignisse, die hier passiert waren.
Besonders spannend fand ich die Geschichte einer großen Diebesbande. Sie hatte sich vor wenigen Monaten/Jahren in der Gegend gebildet und niedergelassen und hatte begonnen, die hart arbeitenden, armen Menschen hier zu bestehlen. Meint: Es kommt eines Tages eine Gruppe Männer bei deiner Strohhütte vorbei, um dir z. B. deine drei einzigen Rinder zu stehlen. Dein vielleicht einziger Besitz, mit dem du deine Familie ernährst. Kann man sich das vorstellen? Wie man nur die eigenen Landsleute beklauen kann, die ohnehin nichts haben? An Frechheit nicht zu überbieten.

Die Angst unter den einfachen Leuten hier wurde so groß, dass sie ihre Dörfer teilweise komplett verließen und mit ihren Familien und Nachbarn flüchteten. Als das im ganzen Bezirk zu einem Problem wurde, schritt der Präsident ein. Er schickte eine große Anzahl an Soldaten bzw. Polizisten und diese stöberten die Diebesbande auf, einen Dieb nach dem anderen. Sie wurden zu Strafen zugunsten der Bevölkerung verdonnert: Straßenbau, Putzarbeiten, Renovierungsarbeiten etc. Ihnen wurde somit vergeben, jedoch nur unter einer Bedingung: Würden sie jemals wieder rückfällig werden und erneut stehlen, hätte das die Todesstrafe zu Folge.
Das Diebesgesindel bekam also eine faire 2. Chance. Die meisten nutzten diese auch, jedoch nicht alle. Wer es erneut wagte zu stehlen und so dumm war, sich dabei erwischen zu lassen, wurde öffentlich vor den Augen der Einheimischen und Familien erschossen oder geköpft. Pater Sony hatte eine solche Hinrichtung selbst mitangesehen, furchtbar. Und das Ding daran ist: Diese getöteten Leute gelten hier als ehrenlos, dass heißt, sie haben keinen Anspruch auf eine ordentliche Bestattung. Entweder bleibt die Leiche an Ort und Stelle liegen und wird früher oder später von Aasfressern und Hunden zerlegt, oder man wirft sie in den nächstgelegenen Fluss, wo sie irgendwo im Schlamm verschwindet. Oder die Leiche wird angezündet. Insgesamt 80 Leute der Diebesbande fanden so ihren Tod.
Makaber, ich weiß, aber die Situation in den Gemeinden verbesserte sich dadurch so sehr, dass die Einheimischen nach und nach zurückkehrten, um Hütten und Felder wieder zu besiedeln. Nun könne man in der Nacht draußen spazieren gehen und hätte nichts zu befürchten, hieß es. DASS nenn ich mal einen Einblick ins Land bekommen, unfassbar.

Weitere Infos, die ich aufschnappen durfte:
* für den Hausbau müssen die Leute nur Zement und Eisen ankaufen, den Rest findet man vor Ort: Sand, Stroh, Bäume für Holz...
*Viel zu viele Bäume werden in den trockenen Gebieten für den Holzverkauf umgeschnitten - ohne neue Nachzupflanzen. Das wird in der Zukunft noch zu einem großen Problem führen
*einmal im Jahr gibt es hier eine riesen Heuschreckenplage, die gesamte Ernte wird hierbei zerstört. Die Tiere fressen z. B. das gesamte Reisfeld nieder. Gut, dass Reis mehrmals im Jahr geerntet werden kann. So wird für die Überbrückung der schlechten Ernte bereits im Vorhinein Vorrat angesammelt.
Ps: Die Leute fangen viele der Insekten mittels Fallen und essen sie dann auch. 
*Schaut man durch die Gegend, entdeckt man immer wieder kleine, besondere Häuschen - es sind Familiengräber. Selbst, wenn ein Mitglied 700 km weit wegzieht wird die Leiche früher oder später hierhergebracht. Alle 7 Jahre werden die Überreste im Grab eingesammelt und in komprimierter Form weiterhin im Grab aufbehalten. So entsteht wieder Platz für neue Leichen. Wenn dies geschieht gibt es ein riesen Familienfest, wo ordentlich gefeiert wird.
*Die zum Großteil recht gute Hauptstraße wurde von den Chinesen gebaut. Warum wollte er mir nicht erzählen, das sei eine lange Geschichte. Ich vermute aber stark, dass sie die Straße nicht aus reiner Nächstenliebe asphaltiert haben. Generell wird das Land hier mit all seinen Bodenschätzen von mehreren Nationen ausgebeutet.
*Oft sieht man Asche in den Himmel aufsteigen: Die Menschen verbrennen die Reste der Pflanzen, die sie bei der Ernte nicht brauchen können. Oooder es wird mal wieder ein Müllberg angezündet. Dass es hier keine Müllabfuhr gibt, die die Straßen regelmäßig reinigt liegt wohl auf der Hand.
*In den Flüssen sieht man Frauen und Kinder sitzen, die ihre Wäsche hier waschen.

Auf dem Weg hielten wir mal an, um uns ein kühles Bier zu besorgen. Gegessen haben wir dann am Zielort. Die beiden Pfarrer des Ortes hier haben hervorragend aufgekocht und waren wieder mal äußerst nett und gastfreundlich. Fließend Wasser gibt es hier nicht.
Einer der beiden Pfarrer bemalt landesweit Wände von Kirchen und Häusern mit seinen Bildern, ein paar davon hatte ich schon zuvor gesehen. Sehr talentiert!
Wir fuhren gemeinsam in den nächsten Ort weiter, wo uns die erst kürzlich errichtete Kirche und das zukünftige neu erbaute Bischofshaus gezeigt wurden. Alles wunderschön konstruiert, mitten in einem grünen Garten und mit wahnsinns Ausblick auf die Gegend hier.
Zurück in der neuen Bleibe von Pater Sebi bekamen wir noch Tee und Kaffee serviert und traten dann unseren langen Rückweg an. Da wir nun keine Termine mehr hatten blieben Pater Shaiju und Pater Sony immer wieder mit dem Auto stehen, damit ich gute Fotos machen konnte. Den Sonnenuntergang haben wir uns ebenfalls nicht entgehen lassen.
Wir haben nun auch Musik eingeschaltet und da beide Pfarrer aus Indien kommen, haben wir zuerst viel indische Musik gehört. Dann haben sie mich gebeten, mich mit dem Auto zu verbinden. "Unsere Musik hören wir eh die ganze Zeit", meinten sie. Ich könnte jede Musik abspielen, die ich wollte. Rock, Latino, Reggae? Kein Problem.
Ebenso kein Problem waren hier kurze "Klopausen" in Mutter Natur. Madagaskar hat weder große Raubtiere noch giftige Amphibien oder Insekten zu bieten. Man kann also problemlos hinter die nächsten Büsche kraxln.

Zwar war das heute nur ein Termin von Pater Shaiju, zu dem er mich mitnahm, aber für mich war es einfach eine überaus spannende Entdeckungsreise. Dankeschön dafür, der Tag war toll!

Liebe Grüße, eure Babsi!

Ps. Heute feiert die beste Freundin überhaupt ihren 28. Geburtstag. Happy Birthday nochmal, Anna! Sooo schön, dass es dich gibt! ❤️

(Montag, 29. Juli 2024)

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Kommentare

Irmgard Brunmayr
Vor 7 Monate

Wow Babsi! Danke für die spannenden Berichte freuen uns immer wenn du tolle Bilder hineinstellst.Leider gibt es bei diesen Fotos ein Problem, die lassen sich nicht öffnen.Lg.Irmi und Manfred